Datum

Fertigung: Wie Skill-based Production alles verändern könnte

Maschinen, die miteinander kommunizieren. Und die ihre Fähigkeiten je nach Auftrag autonom kombinieren. „Production Level 4“ entwirft eine spektakuläre Vision der Produktion der Zukunft.  

So unspektakulär kann Spektakuläres sein: Ein kleiner USB-Stick fährt im Kreis. Am Montagemodul wird er mit einem Legostein einer bestimmten Farbe bestückt, an der nächsten Station mit Daten beladen, und abschließend überprüft KI, ob Bestellung und Produkt auch übereinstimmen.

Der „Production Level 4“-Demonstrator der SmartFactory Kaiserslautern wirkt auf den ersten Blick wie Spielzeug. Und ist doch eine spektakuläre Vorschau darauf, wie industrielle Produktion in Zukunft aussehen könnte.

Die Antithese zu Massenfertigung

Demonstriert wird hier Skill-based Production, gewissermaßen die Antithese zur Massenfertigung: Beruht diese auf im Vorhinein klar definierten Prozessen, so geht es bei Skill-based Production darum, Teilprozesse mit ihren spezifischen Fertigkeiten (also Skills) beliebig zu kombinieren. Bei jedem einzelnen eingehenden Auftrag kommt es auf Maschinenebene also in Echtzeit zu einer neuen, maschinenübergreifenden Kombination, wobei sich die Maschinen selbstständig untereinander abstimmen.

Es wäre das Ende der klassischen Produktion im Sinne von Linien und logischen Hierarchien. Es wäre, sagt Martin Ruskowski, ein „fundamentaler Wandel im Denken“.

Antworten von der Fertigungsmaschine

Ruskowski leitet am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz den Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme. Und er ist Vorstandsvorsitzender von SmartFactory KL, einer 2005 gegründeten herstellerunabhängigen Demonstrations- und Forschungsplattform. Rund 20 der insgesamt um die 50 Partner – die einschlägigen Größen aus Industrie und Forschung – entwickeln den „Production Level 4“-Demonstrator gemeinsam permanent weiter.

Wie der Begriff „Skills“ in diesem System zu verstehen sei, erklärte Magnus Volkmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Kaiserslautern, im Rahmen der virtuellen HMI so: „Die klassische Betrachtung von Skills war eine über bestimmte Parameter. Nun werden die Skills aber so komplex, dass das nicht mehr funktioniert. Jetzt schicken wir die Daten an die Fertigungsmaschinen, und die Maschine antwortet: ‚Ja das kann ich fertigen, ich brauche dafür so und so lange, und ich nenne auch gleich die Kosten des Prozessschrittes und die Höhe des Energieverbrauchs.‘“

Ein Schub für die regionale Fertigung 

Der Ansatz könnte, sagt Martin Ruskowski, letztlich sogar dazu führen, dass Wettbewerber ihre Ressourcen untereinander austauschen. Für sicheren Datenaustausch würde dabei Gaia-X sorgen, die derzeit entstehende europäische Dateninfrastruktur, die eine sichere Datenschnittstelle bereitstellt.

Verändern könnten sich auch Wertschöpfungsketten: „Viele Kunden wollen auch lokal fertigen“, sagt Ruskowski, „ein Thema, das auch im Zusammenhang mit Emissionen immer stärker auftaucht. Man kann nicht mehr alles in Massenproduktion in China fertigen, man muss auch in der Lage sein, hier flexibel und kostengünstig zu fertigen.“

Fragen der Kommunikation noch offen

Vieles an Production Level 4 ist noch im Entstehen, es ist Work in Progress. Wie soll etwa die Kommunikation organisiert sein? Die Frage, ob es einen Orchestrator mit Zugriff auf die einzelnen Skills geben soll, oder ob sich die Maschinen im Sinne eines Multi-Agenten-Systems verständigen, ist noch umstritten.

Und Kommunikation ist es auch, die dem Thema auf einer anderen Ebene im Weg steht: Maschinen unterschiedlicher Hersteller sind bekanntlich nicht besonders dialogfähig. Das zu durchbrechen, die Kommunikation über Hersteller hinweg zu öffnen, muss laut Ruskowski der nächste Schritt sein. „Und dann wird das Thema wirklich ins Fliegen kommen.“

 

© SmartFactoryKL
"Man kann nicht mehr alles in Massenproduktion in China fertigen, man muss auch in der Lage sein, hier flexibel und kostengünstig zu fertigen.“

Martin Ruskowski, SmartFactoryKL